CSD Nordwest - Wie alles anfing

In diesem Jahr wird der CSD Nordwest 10 Jahre alt. Da es vielen nicht mehr bekannt ist, wie der CSD eigentlich entstanden ist, habe ich diese kleine  Website erstellt, auf der man die Entstehung des ersten CSD Nordwest nachlesen kann. Dazu habe ich auch einige wichtige Dokumente, die für den CSD damals wichtig waren, als pdf-Dokumente hier zur Verfügung gestellt.

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Wie der CSD Nordwest entstand

Am 11. Juni 1994 knallten in der Ziegelhofstraße 83 in Oldenburg die Korken. An diesem Tag wurde das „NA UND Lesben- und Schwulenzentrum“ eröffnet. Mitten in die Feier platzten ein paar aufgebrachte VertreterInnen der linksautonomen, lesbisch-schwulen Initiative SUSPEKT, die von einer unglaublichen Geschichte aus Bremen berichteten. Was war passiert?

Dokument: Bericht vom CSD 1994

Obwohl es schon 1979 in Bremen einen CSD gab (einer der ersten in Deutschland überhaupt!), gab es in den Folgejahren keine weiteren CSDs. Erst 1993 gab es einen von einer Privatinitiative organisierten CSD, der – laut dem schwulen Magazin „Downtown“ - 200 Besucher anzog. 1994 gründeten dann diese Privatleute in Bremen den Verein „Christopher Street Day“ und organisierten, mithilfe der Sponsoren „West“ und „Prinz“ sowie einiger Szenegastronomen, aber praktisch unter Ausschluss der ortsansässigen Vereine einen CSD für den 11. Juni.

Dokumente: Flyer des CSD-Vereins zum CSD 1994 I + II

Kurz vor der Veranstaltungen erhielten dann die Vereine dazu Einladungen. SUSPEKT lehnte erst eine Teilnahme ab, überlegte es sich dann aber doch anders. Man wollte, wie man in der TAZ verlauten ließ, „diesen Kommerz-Karneval stören“. Mit einem Wagen, bestückt mit Megaphon und provozierenden Flugblättern, in denen u.a. die Kommerzialisierung des CSD und der CSD-Verein kritisiert wurden, wollte man sich in den Zug der geschätzten 200 TeilnehmerInnen des Umzuges einreihen. Der CSD-Verein ließ den Wagen jedoch durch die Polizei entfernen.

Dokument: Flugblatt CSD 1994

 

In den nächsten Wochen gab es deswegen hitzige Debatten und viel Kritik an der Polizeiaktion. SUSPEKT lud daraufhin VertreterInnen verschiedenster Vereine und Gruppen aus dem Nordwesten zu einer Diskussionsrunde ein mit der Absicht, für 1995 einen CSD zu organisieren. Dieser sollte betont politisch und nichtkommerziell sein und „gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Neofaschismus“ sein.

Dokumente: Aufruf von “Suspekt” zur Organisation eines CSD 1995

Bei NA UND machte sich, getragen von der Euphorie der Zentrumseröffnung, der Gedanke breit, den CSD nach Oldenburg zu holen nach dem Motto: „650 Jahre Oldenburg, 10 Jahre NA UND und 1 Jahr Zentrum“. Gleichzeitig schrieb die „Männerfabrik“ aus Oldenburg alle örtlichen Vereine an. Durch den Kölner CSD beeindruckt, wünschte man(n) sich auch einen CSD für Oldenburg, wobei die „Männerfabrik“ vor allem an ein Straßenfest dachte: „Es würde verschiedensten Gruppen die Möglichkeit bieten, sich und ihre Arbeit in einem Rahmen von Vergnügen und Unterhaltung vorzustellen.“

Dokument: Brief der Männerfabrik

In den nächsten Wochen nahm das Projekt im Rahmen diverser Organisationssitzungen immer konkretere Formen an. Am Ende des Jahres war dann der erste „CSD Nordwest“ beschlossene Sache. Bis heute sind die wichtigsten Elemente des ersten CSD beibehalten worden:

  • Beteiligung aller Gruppen und Vereine am Organisationsprozess
  • Veranstaltungswochen im gesamten Nordwesten  vor dem eigentlichen CSD-Tag
  • Demo/Parade mit abschließender Kundgebung und einem Straßenfest
  • Finanzierung des Projektes u.a. durch Zuschüsse von Vereinen und der Herausgabe eines Programmheftes
  • KEINE Sponsoren

Ursprünglich war geplant, die Parade in den Folgejahren auch in Bremen, Wilhelmshaven oder Emden stattfinden zu lassen, doch der Erfolg der CSD-Premiere in Oldenburg führte dazu, dass alle beteiligten Vereine, auch aus Bremen, für Oldenburg als kontinuierlichen Austragungsort für Demo/Parade und Abschlussfest plädierten.

Mit der Entscheidung für Oldenburg verlagerte sich auch die eigentliche Organisation in die Huntestadt. War auch die Beteiligung aller Vereine wichtig, blieb der „Kleinkram“ doch bei NA UND im neuen Zentrum hängen. Und hier musste einiges an Pionierarbeit geleistet werden: Wie reserviert man den Schlossplatz? Wo meldet man die Demo an? Wo kriege ich eine Bühne samt Technik, RednerInnen und Kulturprogramm her? Werden die Programmhefte rechtzeitig fertig und geht das mit den Finanzen gut? Strom und Wasser müssen auch auf dem Schlossplatz vorhanden sein. Ach ja: man braucht ja auch Klos!

Als dann der Juni kam, präsentierte sich der Nordwesten tatsächlich sehr schwul-lesbisch: Mit der „Pink Party“ in Bremen starteten die Wochen, in Emden gab es den „Abend zum anderen Ufer“, bis heute fester Bestandteil des CSD Nordwest, und dazu kamen etliche kulturelle, politische und Partyveranstaltungen. Oldenburg aber dämmerte ein erhabener Tag: Am 24. Juni startete um 12 Uhr die erste CSD-Demo/Parade in Oldenburg. Zwischen 500 und 800 Lesben und Schwule nahmen das Motto „Gemeinsam sind wir unausstehlich“ ernst und gingen auf die Straße.

      

Verglichen mit heute sicher nicht viele, aber damals kostete es sicher mehr Mut, zum CSD zu kommen und sich öffentlich als Lesbe oder Schwuler zu zeigen, zumal man ja nicht wusste, ob die Veranstaltung gut gehen würde. Aber: Es ging gut, die Stimmung war riesig, und das, obwohl lediglich die Männerfabrik einen Wagen mit laut wummernder Musik aufgeboten hatte.

 

 Die Stimmung auf dem Schlossplatz während der Abschlusskundgebung war ebenfalls großartig. Maßgeblich dazu beigetragen hatte vor allem die Sängerin Montana Falvini, gewissermaßen der „Star“ des ersten CSD. Die Resonanz in der lokalen Presse war überraschend gut, und die VeranstalterInnen konnten mit dem Ergebnis recht zufrieden sein.

1996 setzte man das Konzept fort. Motiviert vom Erfolg des ersten CSD Nordwest gab es jetzt auch mehr freiwillige HelferInnen, und da man bei der Organisation 1995 einige Erfahrungen gesammelt hatte, konnte man 1996 mit etwas mehr Routine und Gelassenheit arbeiten. 1996 wurden bei der Parade auch erstmals mehr als tausend TeilnehmerInnen gezählt. Es zeigte sich allerdings nach dem CSD 96, dass man organisatorisch bei NA UND an die Grenzen des Machbaren gestoßen war. So folgte man dem Vorbild verschiedener Großstädte und gründete einen eigenen Verein für die Ausrichtung des CSD: Am 7. Januar 1997 wurde LuST e.V. gegründet.

Der Rest ist Geschichte. Inzwischen wird der CSD vor allem in Oldenburg durch Politik und Wirtschaft als wichtig wahrgenommen. LuST  gewann bald zahlreiche neue Mitglieder und ist heute ein unabhängiger, selbstbewusster Verein, der außer dem eigentlichen CSD auch über das ganze Jahr hin Veranstaltungen organisiert und fördert und ein maßgeblicher Faktor des schwullesbischen Lebens im Nordwesten geworden ist.

LuST ist es auch gelungen, eine Reihe erfolgreicher Veranstaltungen (z.B. die „Nacht der kleinen Künste“) im Rahmen des CSD zu kreieren. Das lokale Fernsehen berichtet seit einigen Jahren vom CSD Nordwest. Die TeilnehmerInnenzahl der Parade ist längst bis zu 20000 angewachsen, ebenso stieg der Lärmpegel der diversen UMTS-UMTS-Discowagen, deren Lärm allerdings die politische Botschaft des Christopher Street Day zu übertönen droht. Wir sollten aber nie vergessen, dass der CSD in erster Linie keine schwule Loveparade, Open-Air-Disco oder Riesenparty ist. Sondern eine Demonstration von Schwulen und Lesben für ihre Rechte, für Emanzipation, gegen Sexismus, Rassismus, Nationalismus und Faschismus. Oder wie es SUSPEKT auf ihrem Flugblatt vom 11. Juni 1994 formulierten:

„Lesbisch- und Schwulsein ist nicht nur Freizeitgestaltung!“

 

WICHTIGE LINKS:

CSD NORDWEST: Alles zum CSD und zum LUST e.V.

NA UND: Alles zum Verein NA UND und zum Lesben- Und Schwulenzentrum Oldenburg

Männerfabrik: Oldenburgs Männerdisco für Schwule mit Interesse an Beatz und Fetisch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum: Carsten Schuck c/o NA UND e.V., Ziegelhofstr. 83, 26121 Oldenburg

Email: FeuerschwanzOL@t-online.de

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